Der
Tod hier am Everest ist allgegenwärtig
31.5.,
der neue Wetterbericht verspricht in den kommenden Tagen immer noch
erheblichen Wind, also nichts Gutes. Da es unsere letzte Chance ist,
werden wir morgen aber trotzdem starten. Ich treffe alle Vorbereitungen,
wie zum Beispiel Gepäck optimieren und Taktik endgueltig festlegen.
Meine Ambitionen, die Sache ohne Sauerstoff durchzuziehen, halte ich
nach wie vor aufrecht. Mir ist aber auch klar, dass man das nur bei
besten Verhältnissen machen kann, dass das Risiko, nicht mehr
vom Berg zurückzukommen, dadurch fuenf Mal so hoch sein wird.
Ich werde daher vor Ort auf 7.800 Meter bzw. auf 8.300 Meter entscheiden.
01.6.,
heute ist die erste Etappe zum Nordcool auf 7.000 Meter am Programm.
Beim Losgehen treffe ich noch den Ralph Dujmovitz und die Gerlinde
Kaltenbrunner, die Ihr Vorhaben, den Gipfel ueber die Nordbeinroute
zu erreichen, auf Grund des Sauwetters aufgeben mussten. Gerlinde
ist momentan zweifellos die stärkste Expeditionsbergsteigerin
weltweit und hat super Chancen, die erste Frau zu sein, die alle Achttausender
schafft.
Den Weg aufs Cool habe ich heute gut drauf und ist eher ein Eingehspaziergang.
In der Nacht schlafe ich wie ein Brocken Holz.
02.6.,
Heute wird es ernst, wir starten bereits um 06.30 Uhr, die Etappe
ins Lager I auf 6.800 Meter ist auf dem Programm. Der Wind weht scharf
und ohne volle Mondur, wie Gesichtsmaske und schwere Handschuhe, besteht
ueberhaupt keine Chance. Der lange Firngrat will einfach kein Ende
nehmen und die letzten 200 Höhenmeter im Felsgelände zeigt
der Sturm seine volle Kraft. Endlich können wir nach 6 bis 7
Stunden die schuützenden Zelte erreichen.
03.6.,
die Nacht ist ganz einfach gesagt grausig gelaufen, fast nichts geschlafen.
Der Sturm tobte so stark, dass wir in voller Mondur dauernd gefasst
sein mussten, dass es uns die Zeltplane aufreisst und dass wir plötzlich
im Freien sitzen. Dieser Umstand hat nämlich schon so manchem
Expeditionsbergsteiger das Leben gekostet. Bereits um 06.00 Uhr startet
unser Expeditionsleiter Kari per Funk einen Rundruf und jeder muss
sich entscheiden, ober er weiter aufsteigen wird. Alle 3 Schweizer
Teilnehmer sind einhellig der Meinung, dass es zu gefährlich
ist und bereiten den endgültigen Rückzug vor. Für mich
ist die Sache ebenfalls klar, ich werde weiter aufsteigen. Ich sehe
keine besondere Gefahr, da der Weg ins Lager III auf 8.300 Meter unschwierig
ist, keine objektiven Gefahren beinhaltet und jederzeit Rückzugsmöglichkeiten
beinhaltet. Und dem Sturm werde ich schon trotzen, ich habe keine
Angst. Die beiden Deutschen entscheiden ebenfalls für einen weiteren
Aufstieg. Auch der Expeditionsleiter unterstützt unsere Entscheidungen.
Jetzt muss ich natürlich mein Vorhaben ohne Sauerstoff zu gehen,
über Bord schmeissen. Das wäre nämlich in dieser Situation
halber Selbstmord. Ich schnalle also die Flaschen an. Zuerst läufts
echt happich, der Sturm lässt uns kaum vorankommen. Aber je höher
wir kommen, umso sanfter wird der Wind und es ist kaum zu glauben,
wir kommen irgendwie easy auf das Lager III auf 8.300 Meter. Ich fühle
mich am Abend zwar träge und saumüde aber irgendwie saugut.
Besonders weil ich richtig gepokert und nicht in die Hose geschisssen
habe. Ich weiss, die Chance lebt und es könnte gut sein, dass
wir morgen auf gut tirolerisch geaagt einen Fettn haben könnten.
Ich treffe rechtzeitig alle Vorbereitungen wie Teeflaschen füllen,
Sauerstofflaschen kontrollieren ect. So schnell wie möglich versuche
ich mich etwas aufs Ohr zu hauen, denn bereits am späten Abend
gehts los. Gegessen habe ich schon seit 2 Tagen nichts mehr und es
wird auch noch mindestens 2 weitere dauern, bis ich etwas herunterbringen
werde. Momentan würde ich ich mich nämlich sofort 'anspeiben'.
04.6.,
heute soll der grosse Tag sein, der countdown beginnt. Wir haben ausgemacht,
dass wir uns pünktlich um 23.00 Uhr vor dem Zelt treffen und
dann sofort starten. Jeder muss heute sein eigenes Tempo gehen und
schauen wie er bestmöglichst hochkommt. Da gibt es kein Generalheilmittel.
Unser Expeditionsleiter Kari wird alles hier vom Lager III aus beobachten
und koordinieren. Bereits beim Start spüre ich, Christian heute
bist du gut drauf, du spürst keine Magge, du hast volle Power
in dir. Ich will mit Vollgas die ganze Nacht durchziehen und bereits
früh am Morgen am Gipfel sein. Zu Mittag kommen nämlich
oft gefährliche Höhenwinde auf, die dir den Rückweg
absperren können. Dann sitzt du nämlich da oben und unter
Umständen stirbst du dann weg wie eine Fliege.
Es
läuft gewaltig. Die Windböhen, die mir erst am Grat zu schaffen
machen, werden immer sanfter und noch in der Dunkelheit können
wir die schwierigen Stellen wie First und Second Step überwinden.
Auch der Sherpa, der mich begleitet, nickt immer wieder und ist mit
der Situation absolut zufrieden. Als wir über das grosse Gipfelschneefeld
stapfen, geht am Horizont die Sonne auf und verschafft mir einen einzigartigen
Tiefblick in die Täler Nepals. Jetzt weiss ich, dass uns den
Gipfelsieg niemand mehr nehmen kann. Am letzten Grat zum Gipfel läufts
dann so von selbst dahin und ich bekomme schon ein so warmes Gefühl.
Es ist 06.30 Uhr, ich habs geschafft, wir sind die Ersten, ich stehe
alleine mit meinem Sherpa am höchsten Punkt unserer Erdkugel,
wir geben uns die Hand, wir umarmen uns. Alle Berggipfel dieser Erde
liegen jetzt unter mir, gewaltige Emotionen steigen in mir hoch, aber
ich muss mich bremsen und meine Gefühle wieder realisieren. Denn
der schwierigste Teil der Tour, der Abstieg, beginnt jetzt und ich
muss mich wieder voll konzentrieren.
Jetzt
wo es Tag ist, bekomme ich während des Abstiegs erst richtig
mit, was sich an diesem Berg wirklich abspielt. Schon oft habe ich
Berichte gelesen, wo es heisst, dass Tote den Weg säumen. Ich
habe nicht daran geglaubt. Wir gehen aber an fast einem halben Dutzend
Leichen vorbei. Zum Beispiel liegt ein slowenischer Bergsteiger, der
vor ca 2 Wochen knapp unterhalb des Gipfelschneefeldes erfroren ist,
direkt auf der Aufstiegsspur. Niemand kann oder will diese Leichen
entfernen. Solche Sachen muss ich aber sofort wegstecken, denn der
Weg ist absturzgefährdet und schlecht abgesichert. Ich muss sagen,
der Abstieg schlaucht mich gewaltig und so gegen 11.00 Uhr komme ich
wirklich saumüde im Lager III an. Gleich verziehe ich mich in
mein Zelt, wo ich dann einige Stunden schlafen werde. heute werde
ich meine sichere Umgebung nicht mehr verlassen und die Nacht über
hier verbringen.
Mein
Kollege Peter erreicht um 10.45 Uhr ebenfalls den Gipfel und kehrt
am späten Nachmittag ins Camp III zurück. Wir können
uns gemeinsam freuen. Der Dieter, der bereits 3 Achttausender erfolgreich
bestiegen hat, erreicht den Gipfel leider nicht, muss umkehren und
kehrt am Nachmittag ebenfalls ins Camp III zurück. Er entscheidet
sich aber, weiter ins Camp II abzusteigen und verstirbt auf diesem
Weg. Dieses Ereignis versetzt uns in einen gewaltigen Schock, denn
wir verlieren einen verlässlichen, korrekten und angenehmen Bergkameraden.
5.6.
- 7.6., am Morgen des 5.6. steigen Peter und ich ins ABC-Camp
und am 6.6. weiter ins Bace-Camp ab. Auf diesem Weg habe ich mir wohl
mein rechtes Knie etwas versaut und es schaut momentan so aus, als
dass der Arzt einen Auftrag bekommen könnte. Dieses Problem ist
mir momentan aber so ziemlich egal, wird sich schon wieder geben.
Monmentan sind wir untwerwegs Richtung Kathmandu, wo wir morgen die
Heimreise über Bangkok antreten werden.
Ein
grosses Abenteuer ist vorbei. Es hat mich neu geprägt und ich
bin dankbar und froh, dass ich all diese neuen Erfahrungen machen
durfte. Ein besonderer Dank gilt wohl meiner einzigartig grosszügigen
Frau und meinen super Kindern, die mich immer unterstützt und
jede Sekunde mit mir und um micht gezittert haben.
Auch
bin ich tief ergriffen, dass mich bei der Spendenaktion so viele Freunde
und Gönner unterstützt haben. Ein herzliches Vergeltsgott.
Im Herbst ist eine grössere Vortragsreihe geplant und ihr seit
natürlich alle eingeladen.
Ach,
mir kommt gerade vor, dass sich in meinem Kleinhirn schon wieder Ideen
für ein neues grosses Abenteuer sammeln.
Ich hoffe, Euch nicht gelangweilt zu haben.
Berg
Heil
Christian