Servus
und Grüss Euch!
Heute schreiben wir den 17.5. und ich sitze
immer noch hier im Bace
Camp auf 5.200 Meter. Die letzten Tage hat der Jet-Stream voll
zugeschlagen und die meiste Zeit müssen wir in unseren Zelten
ausharren. Es ist zwar nicht besonders spassig hier, aber auf dieser
Höhe ist das überhaupt kein Problem. Man kann zwischendurch
die
Tibeter in ihren Jurten besuchen und so vergeht die Zeit ziemlich gut.
Am Gipfelgrat des Everest steigen die Windfahnen mehr als 100 Meter
hoch auf und jeder Leihe kann erkennen, dass weit und breit kein
Gipfelwetter in Aussicht steht.
Heute
am 18.5. und morgen am 19.5.
steigen wir aber trotzdem ins
ABC-Camp auf, da der Wetterbericht uns ab dem
25.5. eine kleine
Gipfelchance gibt. Den 26 km langen Weg auf 6.400 Meter habe ich
inzwischen gut drauf, ich kann das gewaltige Panorama geniessen und
komme gut relaxt und locker am Ziel an. Hier im ABC-Camp spielt sich`s
mittlerweile aber ab. Die Leute sind nervös, der neueste Wetterbericht
verspricht nichts Gutes - kaum Gipfelaussichten bis zum Ende des Monats
- der Jet-Stream hat noch kein fixes Ende in Sicht. Viele Expeditionen
sind jetzt stark unter Druck, denn ihr Ende ist zwischen dem 25.5.
und
30.5. fixiert. Die Finnen, die Inder, die
Slowenen und einige
Kleinexpeditionen sind momentan trotz extremer Kälte und starkem
Wind
Richtung Gipfel unterwegs. Sie riskieren meiner Meinung nach Hals und
kragen - hoffentlich ereignet sich da keine Tragödie.
20.5.,
kein guter Tag für uns 5 Österreicher, die hier auf der
Nordseite unterwegs sind, denn vier von uns haben heute das Handtuch
geworfen. Der Willi und seine Frau aus Vorarlberg sowie ihr Freund aus
der Steiermark haben vor 2 Tagen ebenfalls einen Gipfelangriff
gestartet und mussten auf 7.900 Meter völlig chanzenlos kapitulieren.
Stellt Euch vor, der Willi, unter Insidern auch "Mr Everest"
genannt,
ist heuer bereits zum neunten Mal in Folge gescheitert. Was wird heute
wohl in seinem Kopf vorgehen? Auch mein Expeditions- und
Bergführerkollege Robert aus Bad Goisern musste heute leider aufgeben
und wird morgen die Heimreise antreten. Schlimme gesundheitliche
Probleme haben ihn zu diesem Entschluss gezwungen. Wirklich schade,
denn uns fehlt jetzt in unserer bestens funktionierenden Gruppe ein
sehr wertvoller und hilfsbereiter Kamerad. Es nützt aber nichts,
wir
müssen jetzt trotzdem mit Vollgas nach vorne schauen.
21.5.,
bereits am Vormittag kommen wieder Bergsteiger ins Camp zurück,
unter anderem auch die Inder, sie mussten am Second Step auf 8.600 m
umkehren. Viele Bergsteiger haben Erfrierungen erlitten und müssen
schnellstens einer Behandlung zugeführt werden. Eine Kleingruppe
zieht
es offensichtlich aber durch und sie können kurz vor 12.00 Uhr
den
Gipfel erreichen. Jetzt müssen Sie aber noch den Abstieg schaffen
-
hoffentlich geht alles gut. Mittlerweile hat es wieder angefangen zu
schneien, der Wind hat etwas nachgelassen. Unsere Taktik ist fix, wir
warten auf besser Wetter. Natürlich wird es jetzt auch für
uns eng,
denn am 4. Juni geht unser Flieger und hier auf dieser Höhe zu
warten,
kostet jeden Tag Energie und man wird immer schwächer. Wir sind
jetzt
in einem kleinen Teufelskreis und müssen versuchen, da bestmöglichst
herauszukommen. Gerade vor wenigen Minuten ist wieder der neue
Wetterbericht eingelangt und wieder nichts Gutes - starker Wind bis
zum
Monatsende. Ich bin aber trotzdem erstaunlich gut beisammen - auch von
der Psyche her. Täglich bis zu 16 Stunden im Zelt, draussen Schneefall,
Wind und zwischendurch einige Sonnenstrahlen, das muss man auf Dauer
erst aushalten. Ich kann euch aber versprechen, dass ich mich von
diesem Berg noch nicht so schnell vertreiben lasse. Wenn ich gesund
bleibe, werde ich bis zur letzten Minute ausharren und die allerletzte
Minichance abwarten. Auch wenn wir den Flug noch ein bis zwei Tage
verschieben müssen und wenn ich direkt von hier zum Flughafen fahren
muss. Also "keine Panik auf der Titanik", abwarten und Tee
trinken und
auf gut tirolerisch gesagt "Nit in d` Housa scheissa".
Ich
werde Euch so gut wie möglich auf dem laufenden halten und euch
über die neuesten Entwicklungen berichten.
Bis
bald,
Christian