4. Expeditionsbericht 28.4.-2.5.2005


Griass enk!

Heute am 28.4. steige ich erstmals in wirklich grössere Höhen auf. Gemeinsam mit Robert und Veronika geht es zum Nordcool auf 7.000 Meter zum Schlafen. So auf halbem Weg beginnt das Wetter umzuschlagen und ich bin nur mit normalem Anorak und Plastikschuhen ausgerüstet. Das Gelände hier auf das Cool ist bis zu 45 Grad steil. Grössere Steilstufen sind mittels Fixseilen und Steigklemmen zu überwinden, die grossen Spalten sind mit Leitern gesichert. Es schneit, der Wind bläst mir ins Gesicht und mir wird mit meiner "travel light" Ausrüstung schweinekalt. Ich muss Gas geben, um schnell das Lager zu erreichen, in den Füssen habe ich schon fast kein Gefühl mehr. Im Zelt angekommen ist mir dann gar nicht so gut - so ein speibübles Gefühl - müde - jede Bewegung eine Plage - kein Appetit. Das ist aber nichts abnormales und jeder Expeditionsbergsteiger wird mir bestens nachfühlen können.
Am späten Abend, es ist bereits dunkel, findet noch eine spektakuläre Rettungsaktion statt. Es sind genug Retter vorhanden - wir brauchen nicht helfen. Eine Japanerin ist am Nordcool akut höhenkrank geworden. Der Zustand ist ernst und sie muss mit künstlichem Sauerstoff beatmet werden. Das Abseilen über die Steilstufen bei dieser Kälte, Schneesturm und absoluter Dunkelheit ist kein Honiglecken. Aber es geht alles gut. Sie hat wohl Glück gehabt, dass dieser Zwischenfall nicht 1.000 Meter höher passiert ist - da hätte es wohl schlecht ausgeschaut. Die Nacht im Zelt verläuft ganz einfach gesagt " ab solut scheisse", brauch ich nicht weiter zu schildern - 14 lange Stunden. In der Früh schaut die Welt dann schon wieder ganz anders aus. Ich erwärme mich an den ersten Sonnenstrahlen, eine Schale Tee, ich sitze ruhig vor dem Zelt und bereite mich für den Abstieg vor. Im abc-Camp angekommen, wartet der Koch bereits mit einer heissen Suppe. Die kommende Nacht schlafe ich wie ein Brocken Stein - alles schlechte schon wieder verarbeitet.

Stellt euch vor, heute ist der 30.4., in Ischgl ist grosses Konzert, meine Kumpels lassen heute wohl die "Sau" raus und ich sitze hier oben, an einem der menschenfeindlichsten Plätzchen unserer Erdkugel. Aber was solls, ich weiss, ihr habt sowieso kein Mitleid mit mir. Aber ein Gläschen Champagner und ein Löffelchen von diesen "dunkelgrünen kleinen Eierchen", fein garniert, würde mich schon aufbauen.
Hier im Camp schneit es heute mehr oder weniger so dahin. Gleich nach dem Frühstück verkrieche ich mich wieder in meinen Schlafsack. Gegessen wird im Daunenanzug - also ein unwirtlicher Tag, den man besser aus dem Kalender streichen würde. An solchen Tagen muss man aufpassen, nicht den moralischen zu bekommen.

Heute muss ich in der Früh eine schnelle Entscheidung treffen. Soll ich auf- oder absteigen. Es gibt nur diese beiden Möglichkeiten, denn hier auf 6.400 Meter herumlümmeln bringt gar nichts. Ich bin unschlüssig und schliesslich kann mich der Kari überzeugen, wieder auf das Nordcool aufzusteigen. Etwas widerwillige packe ich meine Utensilien und es geht los. Ich lass mir dieses Mal viel mehr Zeit, habe zwar viel länger Arbeit, aber ich komme im Lager super relaxt an. Unsere Zelte stehen wahnsinni exponiert direkt under einer ca 30 Meter hohen Eiswand, rundum riesige Gletscherspalten. Da muss man schon aufpassen, wohin man zum Sch...... geht. Ich verbringe eine Nacht, wie man sie sich in einem Höhenlager nur wünschen kann - so richtig romantisch. Zuerst gibt es eine Schale Ovomaltine, dann eine Nudelsuppe mit einer Paznauner Hauswurst und zum Desert noch eine Schweizer Schoko. Ich habe 6 Kerzen angezündet, die in diesem kleinen Zelt eine wohlige Wärme und eine feine Stimmung erzeugen. Das mit den Kerzen ist ein super Trick - er verändert die unwirtlich Situation einfach gewaltig. Die Nacht verläuft super.

Am heutigen Morgen wäre ich gerne noch Richtung 7.500 Meter aufgestiegen, aber es stürmt gewaltig. Also packe ich meine 7 Sachen und steige locker ins abc-Camp ab. Ausserdem habe ich noch ein kleines Problemchen zu lösen. Von meinem Expeditionsschuh hat sich die Sohle teilweise gelöst und ich muss diesen Schaden in den nächsten Tagen unbedingt beheben. Wie und wo weiss ich noch nicht - dem Kari oder mir wird aber schon was einfallen. Ich bin jetzt 10 Tage da oben auf 6.400 Meter und ich merke langsam, wie der Körper langsam abbaut. Ich habe die Schnauze voll und morgen werde ich mit der Grossteil unserer Gruppe ins Bace-Camp absteigen. Mindestens eine Woche werden wir dort unten neue Kraft tanken und uns auf den Gipfelangriff vorbereiten. Meine grobe Taktik steht fest und in ca 10 -15 Tagen wird es spannend. Werden wir es schaffen oder nicht - alle sind gespannt. In ca einer Woche werde ich mich wieder bei Euch melden.